Interview: „Ich nutze den Zufall.“

„Ich überlasse nichts dem Zufall, ich nutze ihn.“

Warum malst Du?
Nicht zu malen, ist keine Option für mich.

Möchtest du etwas zu deinen Bildern sagen?
Nein. Um sich an einem Bild zu erfreuen, muss man nicht unbedingt wissen, was der Künstler sich dabei gedacht hat.

Tragen Deine Bilder deshalb Titel wie „mashambani“ oder „kijani“?
Diese Titel haben nur für mich eine Bedeutung. Das können Assoziationen, Erinnerungen oder auch ganz banale Dinge sein, die mich gerade beschäftigten als das Bild entstand. Der Betrachter soll meine Bilder möglichst unbeeinflusst wahrnehmen. Deshalb wähle ich Bildtitel, die nichts vorgeben, aber eigene Interpretationen zulassen.

Und was sagst Du einem Betrachter, der dich fragt, was Deine Titel bedeuten?
Entscheidend ist doch, ob ihn eine Arbeit anspricht. Dann können wir darüber reden und uns austauschen. Ich bin gespannt auf seine Eindrücke und seine Assoziationen. Vielleicht sieht er Dinge, die mir bisher noch garnicht nicht aufgefallen sind. Dann kann ich auch was zum Titel sagen.

Wie entstehen Deine Bilder?
Ich habe keinen Plan. Ich fange an und schaue, was passiert. Das bewusste Handeln tritt erst einmal zurück, ich werde zum Beobachter. Farben fließen ineinander, überlagern sich und plötzlich entsteht etwas, das mich inspiriert und mir zeigt, wie es weitergehen kann. Das macht die Faszination der informellen Malerei für mich aus.

Also spielt der Zufall bei Deinen Arbeiten eine gewisse Rolle.
Ja und nein. Oft passiert etwas auf der Leinwand, das so nicht geplant war. Dann nutze ich diese glückliche Fügung. Das ist wie in der Fotografie: In dem Moment, in dem ich auf den Auslöser drücke, fliegt vielleicht ein Vogel durchs Bild. Das kann stören, dann mache ich eine neue Aufnahme. Vielleicht macht das aber gerade den Reiz der Aufnahme aus und erst dadurch wird das Bild interessant. Genauso ist es beim Malen. Ich nutze den Zufall, wenn er mir nützt.

Wie lange arbeitest Du an Deinen Bildern?
Meine Bilder entstehen in einem Prozess, der sich über Tage oder Wochen hinziehen kann, manchmal auch noch länger. Deshalb arbeite ich immer an mehreren Bildern gleichzeitig. Wenn ich nicht weiterkomme, stelle ich das Bild weg und arbeite an anderen weiter, bis ich weiß, wie es weitergeht. Manche Bilder verweigern sich hartnäckig, dann wird es zäh. Oder es geht plötzlich ganz schnell. Das sind die Glücksmomente, wenn man spürt, dass es gut wird. Am Ende kommt es dann darauf an, den richtigen Zeitpunkt zu finden, aufzuhören. Ein Pinselstrich zu viel, ein falscher Farbton und alles ist dahin. Das Spontane, das den Reiz und die Qualität einer Arbeit ausmacht ist weg und das spürt man. 

„A really good picture looks as if it´s happened at once.“
Helen Frankentaler

Du sagst, Deine Bilder sind nie fertig. Wie muss ich mir das vorstellen?
Jeder Mensch entwickelt sich, auch ich als Künstler. Wenn ich heute ein Bild beende, dann ist es perfekt in diesem Moment. Sonst würde ich nicht aufhören. Ein paar Wochen, Monate oder Jahre später sehe ich das aber vielleicht anders und dann mache ich weiter. Es macht für mich keinen Sinn, Arbeiten aufzuheben, die mir nicht mehr gefallen.

Kommt das oft vor?
Ja, sehr oft. Zum Glück muss ich meine Bilder nicht komplett zerstören. Ich habe den großen Vorteil, dass ich meine Leinwände theoretisch beliebig oft übermalen kann. Das spart nicht nur Geld, die Bilder gewinnen auch durch jede Überarbeitung.

Wie meinst Du das?
Ich verwende Acrylfarben und spezielle Tuschen, die ich mit Sand oder Kreide mische. Dadurch entsteht ein pastoser, reliefartiger Farbauftrag; die Spuren der Bearbeitung bleiben daher sichtbar. Bei jeder Überarbeitung wird dieser Effekt verstärkt, das Bild bekommt also immer mehr Struktur und Tiefe. Am seitlichen Rand kann man den Entstehungsprozess zum Teil erahnen. Betrachter sprechen mich oft darauf an, dass am Rand Farben zu sehen sind, die im Bild garnicht vorkommen oder sie entdecken Spuren einer früheren Version. Das ist für sie manchmal der erste Anreiz, sich mit dem Bild zu beschäftigen.

„Kunst wird erst dann interessant, wenn wir vor irgend etwas stehen, das wir nicht restlos erklären können.“
Christoph Schlingensief

Du stellst Deine Arbeiten seit vielen Jahren aus. Was macht für Dich eine gute Ausstellung aus?
Eine Ausstellung ist aus meiner Sicht gut, wenn der Besucher etwas davon hat. Wenn er etwas entdeckt, das er vorher nicht kannte oder wenn sich ein Dialog entwickelt. Für mich ist jede Ausstellung die Chance, ein Feedback zu bekommen, zu lernen, wie ich es besser machen kann.

Aber Du willst doch auch verkaufen, oder?
Natürlich will ich meine Arbeiten nicht nur zeigen, sondern auch verkaufen. Aber eins habe ich als Agenturchef gelernt: Wenn ich etwas verkaufen will, muss ich dem Kunden zuerst was bieten – spannende Arbeiten, eine tolle Location, interessante Gespräche. So kommt man ins Gespräch. Erst dann kann man verkaufen.

Da hast früher eine Werbeagentur geführt. Hast Du bereut, dass Du nicht schon früher mehr Kunst gemacht hast?
Nein. Als ich angefangen habe, Design zu studieren, war das noch ein völlig anderes Studium als heute. Es gab kaum Vorlesungen, dafür aber Kurse für Malerei, Aktzeichnen, Typografie oder Siebdruck. In der Zeit habe ich sehr viel gemalt und auch an Ausstellungen teilgenommen. Nach dem Studium stand der Aufbau meiner Agentur erst einmal im Vordergrund. Die künstlerische Arbeit habe ich aber nie aufgegeben, auch wenn das nur am Wochenende stattfand. Dafür muss ich mir heute keine Gedanken um meine wirtschaftliche Situation machen und kann so arbeiten wie ich will. Das ist ein großer Luxus und das ist mir auch sehr bewusst.

Du präsentierst Deine Arbeiten nicht nur auf Deiner Website lons.de, sondern auch bei Instagram. Was hat Dich dazu bewogen?
Ich habe mit Instagram angefangen, als durch Corona alle Möglichkeiten, Kunst zu zeigen, wegfielen. Ich wollte aber trotzdem sichtbar bleiben und den Kontakt zu Freunden und Kunden aufrechterhalten. Natürlich geht nichts über die Präsentation in einer Galerie. Nur dort kann man ein Bild wirklich sehen, beurteilen, spüren … 
Das Internet spielt aber inzwischen eine immer wichtigere Rolle. Über die sozialen Kanäle kann ich Menschen auf der ganzen Welt erreichen, die meine Arbeiten sonst nie zu sehen bekämen. Ich kann mich mit Anderen austauschen und Kontakte knüpfen. Und das ist heute entscheidend. Es genügt schon lange nicht mehr, gute Bilder zu malen. Um wahrgenommen zu werden, braucht man Kommunikation und ein Netzwerk. Als Agenturmensch würde ich sagen: „Erfolgreiche Kunst bedeutet 10 Prozent Talent und 90 Prozent Marketing.“  

Ist das nicht ein bisschen extrem?
Keineswegs. Wenn man ein wenig bei Instagram recherchiert, sieht man, wie viele herausragende Künstler es weltweit gibt. Die wollen alle ausstellen, verkaufen, erfolgreich sein. Das macht demütig und schärft den Blick für die eigene Arbeit. Und es zeigt, wie wichtig es ist, sich als Künstler darzustellen und zu vermarkten, auch wenn der Begriff Vielen negativ aufstößt. Erfolgreiche Künstler entwickeln sich selbst oder ihre Arbeiten zu einer Marke. So schaffen sie ein Alleinstellungsmerkmal, das sie von anderen unterscheidet. Und das macht letztendlich ihren Erfolg aus.

Wie sehen Deine künstlerischen Pläne für die Zukunft aus?
Wer weiß schon was morgen kommt. Aber noch habe ich Lust und Ideen auf Neues.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Beatrix Altmann-Schmitt, Kunsthistorikerin M.A.